Emily Dickinson
Emily Elizabeth Dickinson, geboren am Freitag, 10. Dezember 1830 um 5 Uhr nachmittags in Amherst/Massachusetts, gestorben am Samstag, 15. Mai 1886, kurz vor 6 Uhr abends, ebenfalls in Amherst, gilt als eine der bedeutendsten amerikanischen Dichterinnen. Ihre Gedichte, erstmals 1890 nach ihrem Tod gedruckt, scheinen stilistisch vielfach ins 20. Jahrhundert vorzugreifen.
Emily Dickinson verbrachte ihr gesamtes Leben in Amherst, Massachusetts. Sie entstammt einer alteingesessenen, calvinistischen Familie. Ihr Vater, Edward Dickinson, war Rechtsanwalt und zeitweise auch Kongressabgeordneter. Emily besuchte die Amherst Academy (1834-1847), wo sie Unterricht in klassischer Literatur, Latein, Geschichte, Religion, Mathematik und Biologie erhielt. Danach wechselte sie auf das Mount Holyoke Female Seminary (1847-1848), eine konservativ-evangelikale Schule für Mädchen. Dort fiel sie ihren Lehrern durch ihre Intelligenz auf, sie war jedoch physisch und psychisch anfällig und litt an Depressionen, so dass sie die Schule nach nur einem Jahr abbrach.
Seit 1850 hegte sie eine Vorliebe für weiße Kleidung und zog sich mehr in die Einsamkeit zurück. Sie empfing nur wenige Besucher und machte selbst selten Besuche. Sie galt als menschenscheu und verbrachte die meiste Zeit in ihrem Zimmer.
Emily Dickinson stand mit einer Reihe von Bekannten und Verwandten in Briefkontakt, persönliche Kontakte pflegte sie aber nur zu wenigen Menschen. Dazu gehörte neben ihrer Schwester Lavinia und ihrem Bruder Austin und dessen Frau Susan, einer Jugendfreundin von Emily. Der spätere Herausgeber ihrer Werke, Thomas Wentworth Higginson, mit dem sie über viele Jahre korrespondierte, ist ihr nach eigener Aussage in all der Zeit nur zweimal von Angesicht zu Angesicht begegnet.
Die ersten Gedichte von Emily Dickinson stammen aus dem Jahr 1850. Die fruchtbarste Schaffensphase (1860-1870) war von zunehmender Vereinsamung und Krankheit überschattet. Nur sieben ihrer insgesamt 1775 Gedichte wurden zu ihren Lebzeiten veröffentlicht, viele fanden jedoch den Weg in die Öffentlichkeit in Briefen an Freunde und Verwandte.
Die Interpretation der Gedichte von Emily Dickinson ist bisweilen schwierig, da es keine autorisierte Endfassung gibt. Einige der Gedichte liegen in mehreren Fassungen vor, manche sind nur im Entwurfsstadium vorhanden, die der Herausgeber des Gesamtwerks "semifinal draughts" nennt. Emily Dickinson hatte zu Lebzeiten einige ihrer Gedichte dem Verleger Thomas Wentworth Higginson überlassen, der ihr aber von einer Veröffentlichung abgeraten hatte.
Vier Jahre nach ihrem Tod, 1890, gab Higginson zusammen mit Emilys Schwester Lavinia und Mabel Loomis Todd, einer Freundin von Emilys Bruder Austin, eine Auswahl aus den Werken der Dichterin unter dem Titel: Poems by Emily Dickinson heraus. Dabei veränderten die Herausgeber den Text überall dort, wo er für ihr Dafürhalten sperrig war. Auch eine weitere Ausgabe ihrer Werke aus dem frühen 20. Jahrhundert, von Emilys Nichte Martha Dickinson Bianchi herausgegeben, enthält massive Eingriffe in den Text.
Die erste kritische Gesamtausgabe ihrer Werke in drei Bänden unter dem Titel The Poems of Emily Dickinson, Ed. Th. H. Johnson (Cambridge, Mass., 1955) folgt allen bekannten Manuskripten in unveränderter Form und gilt als Standardwerkausgabe.
Obwohl Emily Dickinson fast ihr ganzes Leben in ihrem Haus verbrachte, ist ihr lyrisches Werk von enormer Weite geprägt. Emily Dickinsons begrenzter Erfahrungsradius hat ihr Schaffen nicht eingeschränkt, sondern gefördert, denn sie war mittels ihrer Einbildungskraft in der Lage, die kleine und überschaubare Welt, in der sie lebte, in die große Welt zu verwandeln.
Emily Dickinson starb im Mai 1886 an einem Nierenleiden. Ihre letzten Worte waren: "I must go in, for the fog is rising."
Gepostet von Petar Sokacic am Freitag, 3. April 2020